„Er hat ein großes Ego“ – Unsinn. So etwas gibt es gar nicht.

„Der Edle stellt Anforderungen an sich selbst, der Gemeine an andere.“

Konfuzius 

Neubegegnung mit dem Ego

Als ich vor rund zehn Jahren auf einem Seminar beim selbsternannten besten Verkaufstrainer Europas war, nahm mich dieser in der Mittagspause an die Seite: „Klaas, ich glaube du solltest dein Ego zurückstellen.“ Ich war erleichtert und gleichermaßen irritiert. War ich nicht auf einem Verkaufsseminar und ging es nicht darum, mit dem Ego als Brechstange die Vertriebshürden dieser Welt zu überwinden? Und warum sollte ausgerechnet ich, der sich noch immer für viel zu zurückhaltend hielt, sein Ego zurückstellen, wo ich es doch gerade prächtig füttern und kultivieren wollte? Zurück zuhause erzählte ich die Geschichte meinem Unternehmercoach. Wir spazierten gerade durch den Park vor meinem Wohnhaus. Just in dem Moment kamen wir an ein kleines Bächlein. Das Wasser plätscherte putzig um die Steine herum. Mein Coach bat mich, einmal genau auf das Wasser zu achten. Ich brauchte eine Erläuterung. Das Wasser kannte keine Brechstange. Es fand seinen Weg geschmeidig fließend um die Steine herum. Ein paar Wochen später fiel mir ein Buch von Eckhart Tolle in die Hände. Im Jetzt sein. Ich lernte: das Ego ist die Fehlfunktion unseres Gehirns, aus dem Hier und jetzt woanders hin zu flüchten: in die Vergangenheit, die Zukunft, an andere Orte. Das hatte nun so gar nichts mit der „Ego“-Definition zu tun, die mir vertraut war: stark und selbstbewusst – das große Ego eben. Von nun an sah ich genauer hin: Große Persönlichkeiten, die ich bewundere, sind eher selbstlos, haben jedoch eine am Gemeinwohl orientierte Beharrlichkeit und kämpfen für und nicht gegen etwas. Von nun an konnte ich besser unterscheiden: das Ego ist ein Teil unserer Persönlichkeit. Wird sie aber mit ihr identisch, hat die Persönlichkeit ein Problem. Sie neigt zu zerstörerischen Entscheidungen. 

 

Nur ein Ego hat Geltungsbedürfnis

Wenn sich jemand beschwert, will er markieren, dass er Ansprüche hat, die von der Außenwelt nicht erfüllt werden. Er bäumt sich dagegen auf, lässt sich das nicht bieten. Sich über andere zu beschweren, das wird gemeinhin für ein höheren Status gehalten. Daher ist es ein beliebter Sport, auch von manchen Unternehmern.

Im Grunde ist es ein Akt der Hilflosigkeit, denn es ist das kleine Ego, dass sich aufbäumt, das ungeduldig wird, wenn die Dinge nicht so laufen, wie es das erwartet, wenn beispielsweise Mitarbeiter den Willen des Unternehmers nicht blind verstehen und ihm selbstverständlich folgen. 

Dann fällt oft der Spruch „er hat ein großes Ego“. Dabei gibt es so etwas gar nicht, ein großes Ego. Es ist das kleine Ego, das sich in den Vordergrund drängt. Das kleine Ego ist unser innerer Junkie. Es braucht seine Drogen. Aus seiner Sicht besteht der Sinn des Lebens im nächsten Kick, dem Kick der Statusbestätigung.

Klein ist das Ego deshalb, weil es der Teil von uns ist, der Angst hat zu kurz zu kommen. Die Elementareigenschaft des Egos ist Kleinheit. Jemand mit einem vermeintlich „großem Ego“ hat sich mit der eigenen Kleinheit nur noch nicht abgefunden, besser gesagt, hat den Teil in sich, der Angst hat, der sich als getrennter Konkurrent zu anderen betrachtet, noch nicht angenommen, hadert mit diesem Teil. Daher bäumt sich das kleine Ego auf. Es ist ein Akt der Hilflosigkeit und des Vollzugs einer Trennung zwischen der Innen- und Außenwelt, der aussichtslose Wunsch, die Außenwelt möge sich der Innenwelt anpassen. Das ist alles andere als unternehmerisch weise und auch nicht erfolgsvorsprechend, weil ein Kampf gegen sich selbst.

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