Das Recht ein Arschloch zu sein

Bin ich für ein Recht darauf, ein Arschloch zu sein? Die Frage erübrigt sich im Laufe des Textes.

Aktuellpolitischer Bezug: Hans-Georg-Maaßen, Horst Seehofer, Demonstrationen in Chemnitz und Köthen, markige Sprüche, emotionale Ausbrüche gegenüber Journalisten. Ok, keine ganzen Sätze, bin ich eben mal ein grammatikalisches Arschloch. Wäre dies hier eine mittelmäßige Bachelorarbeit, kämen im ersten Kapitel die Definitionen: Was ist „das Recht“? Ich spreche hier nicht von einem gesetzlichen Recht, sondern ob ich als subjektiver Bewerter „Klaas Kramer“ es sozial opportun finde, wenn sich Menschen wie Arschlöcher verhalten. Wie definiere ich „Arschloch“? Ein Arschloch ist jemand, der es billigend in Kauf nimmt oder vorsätzlich beabsichtigt, anderen Menschen (oder Tieren, Pflanzen) zu schaden. Das schließt für mich ein, an der roten Ampel den Aschenbecher seines Autos aus dem Fenster zu kippen, Bonbonpapier im Wald fallenzulassen, auf Facebook beleidigende Kommentare oder Drohungen zu hinterlassen, die emotionalen Schwachstellen anderer auszunutzen, um sie bloßzustellen oder zu manipulieren. Die meisten von uns haben sich in ihrem Leben bestimmt schon einmal wie ein Arschloch verhalten. Es ist also menschlich. In bestimmten Kreisen ist es wieder Mode geworden, sich demonstrativ von politisch korrektem Verhalten zu befreien. PC wird gern fälschlicherweise übersetzt als „sich einer von einer Obrigkeit oktroyierten sprachlichen Ideologie unterwerfen“. Tatsächlich ist damit jedoch gemeint, dass ein Mensch sich seiner Öffentlichkeitswirkung (=politischen Wirkung) bewusst ist und sein Verhalten (auch die Wortwahl) danach ausrichtet, keinen unbeabsichtigten Schaden anzurichten, was in den meisten Fällen bedeutet, niemanden zu beleidigen (etwa durch Worte wie Neger, Schwuchtel, Asylant). Ob ein Wort beleidigt, entscheidet nicht der der es gebraucht, sondern der damit etikettierte. 

Zum aktuellpolitischen Bezug: Die Würde des Menschen ist unantastbar, auch die eines Menschen, der Angst hat vor Zuwanderern, Altersarmut und dem nächsten Termin beim Jobcenter. Es ist unverzeihlich arrogant, über die Gefühle anderer Menschen zu urteilen und die Gefühle in berechtigte und unberechtigte zu teilen. Es gibt ein Recht auf Angst, auf die Artikulation von Angst, genauso ein Recht auf Wut und die Artikulation von Wut. Die Grenze wird dann überschritten, wenn sich jemand wie ein Arschloch verhält. 

Spätestens ab hier mache ich mich unbeliebt

 

Nun, ich bemühe mich dennoch, nicht als Arschloch wahrgenommen zu werden: Nur in Ausnahmefällen geht es in unserem Staat um Leben und Tod, Hunger, Elend. Viel öfter verlieren Menschen ihre Würde, weil sie ihre Lage vergleichen mit anderen, verzweifeln und sich dann verhalten, als hätten sie keine andere Wahl. Das mag sich subjektiv als gerechtfertigt anfühlen. Nur sehr selten besteht Anlass zur Notwehr, die Gewalt (Selbstschutz bzw. unmittelbarer Schutz Angehöriger) rechtfertigen. Gewalt lindert niemals Leid, sondern verursacht stets neues Leid. Und wir können die Szene beliebig in die Vergangenheit verlagern und uns die gewaltsamen Revolutionen der Weltgeschichte ansehen. Die Geschichte lässt sich aber nicht mehr korrigieren, wohl aber die gegenwärtigen Schauplätze: Syrien, Naher Osten, Indien, Libyen, Afghanistan. Schuldzuweisungen führen sehr oft zur Eskalation, die manchmal in Gewalt mündet. 

 

Die Pflicht, kein Arschloch zu sein

 

Der heute wieder häufig zitierte Spruch „Wenn Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht.“ – klingt zwar logisch. Aber wer entscheidet, ob das herrschende Recht Unrecht ist? Am Ende bleibt es subjektiv und ein Subjekt kann sich dazu entscheiden, ein Arschloch zu sein oder ein Mensch zu bleiben. „Gut ist: Leben erhalten und fördern; schlecht ist: Leben hemmen und zerstören. Sittlich sind wir, wenn wir aus unserem Eigensinn heraustreten, die Fremdheit den anderen gegenüber ablegen und alles, was sich von ihrem Erleben um uns abspielt, miterleben und miterleben. In dieser Eigenschaft erst sind wir wahrhaft Menschen.“ Albert Schweitzer

Schuldzuweisungen oder gar Feindbildkonstruktionen werden niemals meine Unterstützung erfahren. Ich verurteile jede Art extremistischer Handlung, jedoch nicht den Menschen, der handelt. Denn wenn wir so etwas tun, entlasten wir diesen Menschen von der Verantwortung für seine Handlungen. Indem wir sagen „der ist so“, sprechen wir ihm die Option ab, sich auch für ein anderes Verhalten entscheiden zu können. Diese Handlungsoption hat ausnahmslos jeder: der islamistische Mullah genauso wie der AfD-Politiker. Es ist für gewöhnlich gut zu erkennen, ob es sich wirklich um einen Akt unmittelbarer Selbstverteidigung handelt oder ob es aufgrund einer extremistischen Ideologie bzw. krankhafter Wahnvorstellung nur so bezeichnet wird.

Ich bin für die Pflicht, kein Arschloch zu sein.

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