Stellenausschreibung: Seriöse konservative Journalisten gesucht!

 

Linksgrünfunk. Alles verlogene Verschwörung oder was?

 

Seit spätestens 2015 rufen Menschen nicht nur in Dresden „Lügenpresse“. Meinen sie damit ihre Regionalzeitung? Meinen sie die Bild-Zeitung? Meinen Sie Compact oder Tichys Einblick? Wohl eher nicht. Auch wohl weniger RTL oder ProSieben. Sie meinen ARD und ZDF, die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten und am Rande auch die Hörfunksender der ARD, vielleicht noch Deutschlandradio (falls sie das überhaupt kennen). Wie es um einen eventuellen Wahrheitsgehalt in öffentlich oder privat finanzierten Medien – auf Papier, über Antenne oder im Internet – bestellt ist, dazu habe ich mich an anderer Stelle ausgelassen. Was aber ist am Vorwurf dran, die Öffentlich-Rechtlichen repräsentieren nur noch den linksliberalen Meinungsgürtel, wenngleich doch zumindest das politische Spektrum aller Regierungsparteien in Bund und Ländern abzubilden wäre? Nicht dass AfD wie Links-Politiker nicht ausreichend Sitz- und Sprechgelegenheiten in diversen Talkrunden gehabt hätten, aber Chefredakteure, Moderatoren wie Kommentatoren – so der durchaus berechtigte Vorwurf, wie er etwa von FDP-Mann Wolfgang Kubicki über Ex-Verfassungsschützer Hans-Georg Maaßen bis hin zum emeritierten Medienprofessor Norbert Bolz vorgetragen wurde – würden lediglich den engen politischen Korridor zwischen Angela Merkel und Robert Habeck abdecken. Konservative oder rechtsliberale Kommentatoren suche man vergebens. Eine Verschwörung?

 

 

Nun, zum einen fehlte in den vergangenen 30 Jahren die Folie des Kalten Krieges, die einen antikommunistischen Medienkrieger wie Gerhardt Löwenthal – sozusagen als Gegenpart zu Karl-Eduard von Schnitzler – notwendig machte. Im übrigen sei daran erinnert, dass schon der Launch des ZDF 1963 seitens der regierenden CDU ein Gegengewicht zur schon damals als zu links empfundenen ARD – dominiert durch den „berüchtigten Rotfunk“ WDR – liefern sollte. In den 1980ern war zur medialen Begleitung der konservativen Revolution der Kohl-Regierung die Einführung privater Hörfunk- und Fernsehsender angedacht, insbesondere durch Parteilspender Leo Kirch (SAT.1) als Kompensation zum noch immer als zu links befürchteten Bertelsmann-geprägten RTL. Abgesehen vom Berliner Hörfunksender Hundert,6, der sich deutlich erkennbar Diepgens CDU verpflichtet fühlte, waren die privaten Kanäle im Allgemeinen seichte Unterhaltung jenseits jeglicher erkennbarer politischer Haltung. Dass SAT.1 vornehmlich alte amerikanische Fernsehkamellen aus der Nixon-Ära rauf- und runterspielte, als beabsichtigte wertekonservative Intervention zur „Zurückdrängung der 1968er Kultur“ zu deuten, wäre allerdings zu weit hergeholt. Das lag vielmehr daran, dass Kirch zuvor die Rechte für diese alten Serien kostengünstig erworben hatte. Er war eben vielmehr Filmhändler als Fernsehmacher.

 

Nun noch einmal zur Frage: Warum gibt es keine erkennbaren konservativen Meinungsträger in den deutschen Hörfunk- und Fernsehanstalten? Das Ende des kalten Krieges kann doch nicht der wirklicher Grund sein, zumal Gerhardt Löwenthal bereits 1987 unfreiwillig seinen Abschied von der Flimmerkiste nahm und es gerade in den Jahren 1990 bis 1993 einen regelrechten Grillwettbewerb um einstige DDR-Funktionsträger gegeben hatte. Ich vermute wie immer keine böse Absicht und auch keine gezielte Unterwanderung. Es hat etwas mit dem Generationswechsel zu tun: Junge Intellektuelle (was Journalisten mehrheitlich sind), ehrgeizig, engagiert und mit Biss wuchsen in die Strukturen und prägten mit ihnen auch die politischen Agenden. Eine an Diversität orientierte Personalpolitik zugunsten junger, weiblicher und farbiger Gesichter mag sein Übriges getan haben. Daran störte sich bis 2015 kaum jemand.

 

Selbstreinigung der „Systemmedien“

 

Bis vor 5 Jahren hatten noch eine ganze Reihe mittelalter bis älterer Männer mit manchmal zunächst noch dunklerer Haarfarbe auch in öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten ihren festen Platz, welche heute in so genannten alternativen Medien ihren zweiten – manchmal ersten richtigen – Frühling feiern. Ich denke da zuerst an Hendryk M. Broker und dessen meist amüsanten Kommentare auf dem Hörfunksender RadioEins des rbb. In meinen Zwanzigern gab es kein Entkommen vor Ken Jebsen und seinen schnellsprecherischen Außeneinsätzen im Auftrag von RadioFritz (ebenfalls rbb), später wiederholt im Fernsehen mit dem markanten Bananen-Mikrofon. Roland Tichy fiel mir erst an der Seite von Rainer Calmund in der von mir aus beruflichen Gründen sehr geschätzten, aber bedauerlicherweise mangels wirtschaftlicher Tragfähigkeit rasch abgesetzten RTL-Castingshow Big Boss unangenehm auf.

 

Der Herbst 2015 mit der so genannten Flüchtlingskrise gilt als Zäsur. Die Frage, wie man mit akuter Migration zumal muslimisch gläubiger Menschen umzugehen habe, polarisierte. Gemäßigte Stimmen wurden damals entweder überhört oder waren viel zu leise. Auf einmal gab es nur noch Schwarz und Weiß, Freund oder Feind, entweder sei man Humanist oder Rassist. Wenn je etwas dazwischen war, so war es jene Tage in einen tiefen Graben gestürzt. M. Broder, Mattusek und Tichy konnten oder wollten jedenfalls keine Anstalten machen, diesen zu überbrücken. Ich korrigiere mich: Es gab gemäßigte Stimmen und zwar hörte ich sie vom Podium einer NPD-Kundgebung am Berliner S-Bahnhof Köpenick. Ganz in der Nähe hat die Partei ihre Zentrale. Der Redner tönte sinngemäß „natürlich wollen auch wir den vom Krieg verfolgten Syrern solange Asyl gewähren, wie der Krieg dauere, aber…“ …aber immerhin! Im Vergleich zur heutigen AfD sind solche Verlautbarungen geradezu linksliberal. Es war wohl die hoch emotionalisierte Stimmung 2015: Die einen empörten sich über die plötzlich so laute Willkommenskultur und die „Bahnhofsklatscher“. Auf der anderen Seite Fassungslosigkeit über so viel Hass und Verachtung, die von einst als mittig-liberal wahrgenommenen Geistern jenen Menschen entgegenwehte, die sich ehrenamtlich darum mühten, das berüchtigte „Ja, wir schaffen das“ in die Tat umzusetzen. Plötzlich waren sie alle weg, die abwägenden konservativen Geister: M. Broder wurde immer zynischer, Matussek freute sich darauf, dass der Terroranschlag am Weihnachtsmarkt Breitscheidplatz eine politische Kehrtwende auslösen werde und Tichy gewährte immer tiefere Einblicke in sein rumpelstilzchenhaftes Jedem-ans-Bein-Pinkeln, dessen Motive man nicht verstehen will oder kann. Lediglich Ken Jebsen machte sich schon drei Jahre früher durch antisemitische Äußerungen unmöglich und kassierte seine Kündigung beim rbb. Blieb also nur das Gründen alternativer Kanäle auf Papier, als Blog oder Youtube-Kanal. 

 

Perspektivenvielfalt ohne Gehässigkeiten. Selten aber nötig!

 

Spaltungstendenzen und Abgrenzung haben tatsächlich stattgefunden, wurden jedoch mitnichten einseitig vollzogen. Persönliche Kränkungen mögen ihren Beitrag zur Radikalisierung beigetragen haben. Dass Privatmenschen sich ihrer manchmal nicht ganz unfreiwillig gewählten Filterblase anpassen, ist verständlich. Von Journalisten erwarte ich jedoch mehr Selbstreflexion. Die beklagte linksliberale Vormachtstellung der elektronischen Medien wird tatsächlich dann zum Problem, wenn sie zunehmend als Gleichschaltung verstanden wird. Da hilft es auch nicht, wenn ich medienreflektorisch Gegenargumente aufzähle. Natürlich steht rechts von Merkel immer noch die Bild-Zeitung, jedenfalls seit der Machtübernahme durch Julian Reichelt, stehen Focus und Welt seit Ulf Poschardt Chefredakteur ist. Der hatte lange Zeit bei mir ein Stein im Brett, schenkte mir doch ein Freund 1997 dessen Dissertation (DJ Culture) zu Weihnachten. Heute wundere ich mich nur noch über seine infantilen Auswürfe auf Twitter. Ist daran der Kanal Schuld? Als 2010 endlich auch ich zu Twitter stieß, fiel mir gleich als erstes eine freundliche kollegiale Eintracht der Blogger auf, unter denen es lediglich ein einziges schwarzes Schaf zu geben schien: Don Alphonso, bürgerlich Rainer Meyer. Ich freute mich über den Namen, erinnerte er mich doch an Mosaik-Hefte aus dem Jahre 1981. So hieß nämlich eine von seinem Vetter eingekerkerte und gequälte Figur, mit der ich mitleidig sympathisierte.

Don Ferrando – der böse Vetter des wahren Don Alphonso

 

Heute schreibt der für die Welt Artikel mit im Wesentlichen immer derselben Stoßrichtung: ihm missliebigen Personen Linksextremismus oder andere moralische Verkommenheiten nachzusagen. Wer seine Ablehnung gegen Political Correctness durch offensichtliches Treten gegen Schwächere oder Benachteiligte demonstriert oder wer bei jedem Gendersternchen in einen infantilen Tobsuchtsanfall verfällt, der steht für mich nicht gerade für einen mental ausgeglichenen Konservatismus. Ambivalente Grenzgänger sind als Konservative unglaubwürdig. Die Werteunion kuschelt mit Sozialdarwinisten wie Max Otte, Thorsten Polleit oder Markus Krall. Hans-Georg Maaßen fühlt sich bei der leisesten Kritik an seinen missverständlichen Äußerungen auf Twitter von der Antifa umzingelt – ein Verfolgungswahn der mich an Josef Stalin erinnert, von dem er ironischerweise die Definition von Antifa übernommen hat. In einem Interview bekennt Maaßen, als einzige deutsche Zeitung nur noch die FAZ zu lesen und das auch nur noch wegen der Todesanzeigen. Als die Kamera von seinem Gesicht wegschwenkt, fährt er fort, es stünden nur leider die falschen Namen drin. Natürlich dürfen und sollen Konservative auch Humor haben.

 

Auf lesenswerte konservative Beiträgen stoße ich am ehesten noch im Cicero und sogar in Junge Freiheit. Neuerdings gehört auch Emma in diesen Reigen. Die hätte ich als mittelälterer und -grauhaariger Mann früher nicht angefasst. Aber nun Schluss mit den schlüpfrigen Witzen, von denen Leser*innen nicht wissen können, ob sie selbstironisch, fremdironisch oder schon zynisch sind. Konservatismus und Zynismus vertragen sich für meinen Geschmack nämlich nicht. Eine gewisse Selbstironie brauche ich für meinen Geschmack dann wohl doch, was mich zu dem Focus-Kolumnisten Jan Fleischhauer und den RTL-Politik-Ressortleiter Nikolaus Blome führt. Den beiden gelingt es noch am ehesten, ohne menschenverachtenden Zynismus auszukommen. Für den Bedarf an solidem Konservatismus dürften sie jedoch noch immer als zu links gelten.

 

Was von Putins Kanälen zu halten ist, die sich in rechten Kreisen und denen, die sich mit den deutschen Öffentlich-Rechtlichen unbehaglich fühlen, darüber kann man sich gerne bei Boris Reitschuster informieren – einem Autor, der frei des Verdachtes sein dürfte, zu links für diese Welt zu sein.

 

Es bleibt dabei: Wo sind die Konservativen, die ohne Seitenhiebe oder Tritte nach Unten auskommen?

Ich bin sicher, es gibt sie. Und wir brauchen sie dringend! 

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