Es ist menschlich, die Regierung für seine Lebensumstände verantwortlich zu machen. Aber es ist sachlich falsch. Es ignoriert die tatsächlichen Zusammenhänge und kann sogar mörderisch werden, wie die Geschichte oft gezeigt hat. Schon aus Eigeninteresse wird jede Regierung die Lebensumstände gemäß der herrschenden Umstände so gut wie möglich sicherstellen wollen. Lange Zeit waren diese Umstände in Deutschland sehr günstig. Heute ist das anders. Dann hängt es davon ab, wie skrupellos politische Führungskräfte sind und inwiefern bereit, Leid und Elend über die Völker anderer Staaten hinzunehmen.
Gefürchtetes Revival eines kleinen Frotteetuches
Alle, die aufgrund auch aus meiner Sicht unangebrachter Verbrauchertipps seitens führender Politiker aufgebracht sind und ihre persönliche Freiheit in Gefahr sehen, haben auf einer kindlichen Ebene Recht. Viele Menschen haben sich damit arrangiert, ihren persönlichen Status, ihre Identität direkt proportional zu ihrem Energieverbrauch zu definieren. Das konnte nicht ewig gutgehen. Putin wäre dumm, unsere Abhängigkeit nicht für eine willkommene Erpressung im Dienste seines eurasischen Imperialismus zu nutzen und einen „Kalten Krieg“ diesmal nicht nur im metaphorischen Sinne des Wortes vom Zaum zu brechen.
Globalisierung frisst ihre Nutznießer
Statische äußere Sicherheit und Gewissheit sind Illusionen. Das Wort Krise suggeriert, wir hätten es mit einem vorübergehendem Phänomen zu tun. Ein Irrtum. Finanzkrise, Flüchtlinge, Klimakrise, Corona, Krieg, Inflation und jetzt auch noch die Aussicht auf Vervielfachung der Energiepreise. Wir Menschen in den Wohlstandsnationen hatten uns unsere Welt komfortabel eingerichtet. Wir hatten uns in den letzten Jahrzehnten eine trügerische Welt der Sicherheit, der Planbarkeit, der Instant-Impulsbefriedigung geschaffen, deren Preis eine Komplexität ist, die wir lange Zeit weitgehend aussperren konnten: Fremdes Leid und Kriege, Flüchtlinge, Umweltkatastrophen, Seuchen. Das Outsourcing der Kollateralschäden dieser Globalisierung gelingt uns längst nicht mehr. Obacht! An der Globalisierung sind nicht diejenigen schuld, die heute in gewissen Kreisen als Globalisten auf die Feindesliste gesetzt werden. Jeder von uns hat die freie Entscheidung zu treffen: Unterstütze ich jene Kräfte, die ihre historische Mitverantwortung wahrnehmen und heilen wollen, was es (noch) zu heilen gibt oder beharrte ich darauf genauso weiterzumachen, unterbitte ich es mir, auf meinen Verantwortungskreis aufmerksam gemacht zu werden und brandmarke jene, die es dennoch tun, als woke und erkläre sie im mildesten Fall zu Störenfrieden der liberalen demokratischen Gesellschaft?
Aus Mama Staates Zitze fließe wieder Milch
„Bitte nicht!“ möchte man ganz im Sinne eines wirtschaftsliberalen Chefredakteur einer Tageszeitung hinzufügen. Nachstillen im übertragenen Sinne scheint gewünscht, denn gerade regierungskritische Stimmen reproduzieren ein offensichtlich noch immer tief verwurzeltes Obrigkeitsdenken, unterstellen dies ironischerweise jedoch gerade jenen, die in der Deutschen Bahn noch immer eine FFP2-Maske tragen. Regierung, Beamte und selbst Bahnschaffner(*innen) verhalten sich so wenig autoritär wie nie zuvor in der deutschen Geschichte. Ein „Oben-Unten“ existiert außerhalb formaler Organisationen überhaupt nicht. Wer skand(alis)iert „betreutes Denken“ und wer verhält sich wie ein Jugendlicher, der mitten in der Pubertät gegen „die blöden Regeln von Elternhaus und Schule“ rebelliert? Aus welcher politischen Weltanschauung heraus kommt denn die Erwartungshaltung, der Staat hätte sich um uns zu kümmern wie Eltern sich um ihr minderjähriges Kind, wenn es darum geht, Energiepreise auf bequem konsumerables Niveau zu halten?
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